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Ränder sind lauter als die Mitte

Neunte enter the future-Veranstaltung: „Konsens oder Konflikt – wie polarisiert ist unsere Gesellschaft?“


25.11.2024



Mehr als 600 Gäste nahmen in der TauberPhilharmonie Weikersheim und via Livestream am Mittwoch, 6. November an der neunten Veranstaltung der Reihe „enter the future“ der Wittenstein Stiftung teil. Referent Prof. Dr. Steffen Mau zeigte auf, welche Ungleichheiten innerhalb einer Gesellschaft empfunden werden, wie diese in Form von Triggerpunkten zu Konflikten führen und weshalb diese nicht systematisch mit einer Spaltung der Gesellschaft gleichzusetzen sind.


Wenn es um die großen Fragen der Gesellschaft geht, erhitzen sich oft schnell die Gemüter: Armut und Reichtum, Migration, Diversität und Gender, Klimaschutz – Themen, die vor allem in Deutschland öffentlichkeitswirksam diskutiert werden. Leicht kann man den Eindruck gewinnen, dass es hierbei nur noch ein ‚Wir. Und die anderen‘ gibt, und sich zwei gespaltene Lager gegenüberstehen. Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt Universität zu Berlin und SPIEGEL Bestseller-Autor, hielt in seinem Vortrag jedoch dagegen: „In Deutschland hat man zwar die Vorstellung, dass die Gesellschaft gespalten ist, aber wenn man es sich empirisch genauer und über den zeitlichen Verlauf ansieht, dann ist das gar nicht der Fall. Meinungen gehen nicht extrem auseinander, die meisten Deutschen sind einfach Mischwesen.“

 

Wer gerne Steaks isst, muss nicht gleich homophob sein


So könne man nicht von der Einstellung eines Individuums zu einem gewissen Thema idealtypische Rückschlüsse auf dessen Haltungen zu anderen Aspekten ziehen: „Überspitzt dargestellt kann man nicht davon ausgehen, dass jemand, der gerne Steaks isst, automatisch auch homophob oder migrationsfeindlich ist“, so Mau. Starke Spaltungslinien wie in Amerika, Polen oder Großbritannien gäbe es hierzulande (noch) nicht – was man nicht damit gleichsetzen dürfe, dass Deutschland eine konfliktarme Nation sei. Konflikte seien früher wie heute Teil unserer Gesellschaft und treibende Kraft des sozialen Wandels. Was sich allerdings verändert habe, sei die Wahrnehmung verschiedener Ungleichheiten und die daraus resultierende Wahlentscheidung. „Dem Anschein nach sind viele Menschen in ihrer politischen Meinung nach rechts gewandert, was zum Erstarken der AFD geführt hat. Unsere wissenschaftlichen Erhebungen auf der Einstellungsebene zeigen allerdings wenig Veränderung zu den Vorjahren. Die Deutschen sind nicht per se gegen Migration, wünschen sich aber eine staatliche organisierte Integration. Migrationsskeptiker an sich gab es schon immer, aber sie waren über andere Themen in große Volksparteien integriert. Im Gegensatz zu heute hat man früher daraus keine Wahlentscheidung abgeleitet“, erläuterte Mau die Entwicklung.

 

Sollbruchstellen der öffentlichen Debatte


Sobald sich sachbezogene Diskussionen emotionalisieren, werden laut Mau gesellschaftliche Triggerpunkte aktiviert. Hierbei könne es sich um empfundene Gerechtigkeitsverletzungen, Normübertretungen, Entgrenzungsbefürchtungen oder Verhaltenszumutungen handeln. Politiker ebenso wie sogenannte Polarisierungsunternehmer machen sich genau diese Sollbruchstellen bzw. Triggerpunkte zunutze, um das Gefühl einer gesellschaftlichen Spaltung künstlich von oben in die Gesellschaft zu bringen und so Anhänger für ihre Politik zu gewinnen. „Zwischen AFD und den Grünen gibt es immer noch eine sehr breite gesellschaftspolitische Mitte. Im öffentlichen Diskurs werden diese jedoch leider von den Rändern übertönt – daher müssen wir viel genauer hinsehen und dürfen der Geschichte einer Spaltung der Gesellschaft nicht auf den Leim gehen“ warnt Mau. Aus einer herbeigeredeten Spaltung könne jederzeit eine echte Spaltung resultieren – was sich nur vermeiden ließe, wenn mehr Menschen sich in den Diskurs einbringen und gesellschaftliche Entwicklung mitgestalten würden.

 

Nächste Veranstaltungen der Wittenstein Stiftung


Auch im kommenden Jahr finden wieder Veranstaltungen der Wittenstein Stiftung statt. Am 30. April 2025 wird sich das Format „enter the future“ mit der Zukunft der Ernährung befassen, während am 22. Mai die Digitalisierung des Menschen im Mittelpunkt steht.




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(C) Wittenstein Stiftung / Michael Pogoda



Im Bild von links nach rechts: Benedikt Hofmann (Moderator und Chefredakteur MM Maschinenmarkt), Dr. Anna-Katharina Wittenstein (Mitglied des Kuratoriums der Wittenstein Stiftung) und Prof. Dr. Steffen Mau.

 






(C) Wittenstein Stiftung / Michael Pogoda



Prof. Dr. Steffen Mau ist Professor für Makrosoziologie an der Humboldt Universität zu Berlin.







(C) Wittenstein Stiftung / Michael Pogoda



Sowohl das Publikum vor Ort als auch die Zuschauer im Livestream hatten die Möglichkeit, Fragen an die Referenten zu stellen.







(C) Wittenstein Stiftung / Michael Pogoda


Nach der Veranstaltung stand Prof. Dr. Steffen Mau noch für Fragen und eine Buchsignierung zur Verfügung.







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